Umgang mit dem Tod

Suizid eines Angehörigen

Der Tod eines Angehörigen oder Freundes, der aus freien Stücken aus dem Leben scheidet, zählt zu den schmerzlichsten Erfahrungen, die einige von uns machen müssen. Selten ahnen wir etwas von der Absicht, umso drastischer erreicht uns das Unfassbare. Leider ist der Freitod kein Einzelfall. Fast 2 Prozent aller Todesfälle in Deutschland ereignen sich auf diese Weise. Wie geht man als Hinterbliebener mit dieser Katastrophe um?

Die Gründe, warum ein Mensch sich entscheidet, freiwillig aus dem Leben zu scheiden, sind vielfältig. Sehr häufig liegt die Ursache in einem Gefühl der Ausweglosigkeit oder Überforderung, der zu immer stärkeren Druck führt, so dass die Betroffenen nur noch einen Ausweg für sich sehen und den Freitod wählen. Finanzieller Druck kann als Grund ebenso angenommen werden wie Druck von außen, etwa in einer fortgesetzten Mobbingsituation in der Firma. Natürlich gibt es Stimmen, die sagen, dass das noch lange kein Grund für einen Selbstmord sei. Das mag für die meisten von uns stimmen, doch denkt und fühlt jeder Mensch anders und nicht jeder verfügt über das berühmte „dicke Fell“ und zerbricht an dem Druck. Ein in den letzten Jahren immer häufiger auftretender Grund für einen Suizid liegt im Bereich des gesundheitlichen Wohlbefindens. Wer die Diagnose erhält, an einer schweren, unheilbaren Krankheit erkrankt zu sein, deren Verlauf mit schweren Belastungen und starken Schmerzen verbunden ist, ist stärker von einem Suizid bedroht. Auch drohende Altersarmut und die Angst, später nicht mehr Herr des Geschehens zu sein, sind Gründe, die zwar immer schon vorhanden waren, doch durch die Debatten um eine ausreichende Versorgung im Alter und die zunehmende Lebensdauer stärker ins Bewusstsein gerückt ist.

Ein anderes Feld, dass leider immer wieder viel zu spät erkannt wird, liegt im Bereich der psychischen Erkrankungen. Hier führt besonders das breite Spektrum der Depressionserkrankungen zu Gewalt gegen sich selbst, die nicht selten mit einem freiwilligen Tod enden.

Auch Leichtsinn unter Jugendlichen hat in der Vergangenheit zu Selbstmorden geführt. Der Gruppendruck, den Jugendliche ausgesetzt sind und der sehr zerstörerisch wirken kann, taucht als Grund immer wieder auf.

Wenn wir uns die Frage stellen, ob wir hätten sehen müssen, dass diese Menschen dicht vor einem Suizid stehen und ob wir es hätten verhindern können. Die Antwort kann niemand geben, denn es ist schwer, bevorstehende Anzeigen richtig zu deuten, wenn es nicht verbal geäußert wird. Doch nur selten äußern Menschen den Wunsch, sterben zu wollen. Viel häufiger sind Äußerungen, dass in einer bestimmten Situation die Absicht bestand, aus dem Leben zu scheiden, dass die Gefahr jetzt jedoch vorüber sei. Das mag stimmen, doch hier kann auch genau das Gegenteil der Fall sein. Diese Äußerungen können auch vielmehr ein Hilferuf sein als dass sie Grund zur Entwarnung sind. Wichtig ist an dieser Stelle, das Gespräch zu suchen und dieses Thema genau anzusprechen. Wer die Chance hat, über seine Probleme zu reden, Verständnis und Hilfe zu erfahren, kann die akute Gefahr überwinden und wieder einen Sinn im Leben sehen. Es wäre jetzt zu viel, in allen zu Tage tretenden Problemen eine Gefahr für Leib und Leben zu sehen, aber reden hilft immer, besonders wenn derart großer Leidensdruck gegeben ist.

Trotzallem ist die Entscheidung, sich das Leben nehmen zu wollen, ein Ausdruck selbstbestimmten Lebens. Wir müssen lernen, das zu akzeptieren. Nicht nur Mediziner gehen davon aus, dass bei starkem Druck, aber auch seelischen Erkrankungen nicht in vollem Umfang von einem selbstbestimmten Leben gesprochen werden kann und daher der Schutz des Lebens Vorrang hat und daher Maßnahmen einzuleiten sind, die die Selbsttötung verhindern. Die Medizin und die Justiz vertritt hier einen klaren Standpunkt. Freiwillig aus dem Leben zu scheiden, muss unbedingt verhindert werden. In andern Ländern hingegen steht man diesem Problem anders gegenüber. So traten z.B. in der Schweiz oder in Belgien Gesetze in Kraft, die den Wunsch, aus dem Leben zu scheiden, akzeptieren. In diesen Ländern gibt es nur gesetzliche Regelungen, sondern auch eine jeweils unterschiedlich gehandhabte Unterstützung für die Betroffenen. Doch in Deutschland gibt es derartige Hilfen nicht, vielmehr gibt es die ärztliche Pflicht zur Verhinderung eines Suizides. Beihilfe zur Selbsttötung ist in Deutschland ebenfalls untersagt und steht unter Strafe. In wie fern unterlassene Hilfeleistung juristisch verfolgt wird, hängt vom Einzelfall ab.

Unbeantwortet muss auch Frage bleiben, ob wir einen Suizid hätten verhindern können. Wer den festen Entschluss hat, aus dem Leben zu scheiden, wird eine Gelegenheit finden und früher oder später den Wunsch in die Tat umsetzen. Daran wird kaum jemand etwas ändern können. Verhinderbar sind nur die Vorhaben, in denen ein Suizid als ein Ausweg unter vielen erscheint. Es gilt, Alternativen aufzuzeigen und Hilfe anzubieten, vor allem aber den Betroffenen wieder zurück in die Gemeinschaft zu holen und damit die Isolierung zu beenden, die diese selbstzerstörerischen Gedanken erst möglich gemacht haben.

Auch die größte Wachsamkeit wird nicht verhindern können, dass Menschen freiwillig aus dem Leben scheiden. Dieser Verlust schmerzt unendlich, die Sinnlosigkeit macht es für die Hinterbliebenen nicht leichter. Oftmals kommt Zorn über die Tat hinzu und die Frage nach dem Warum schwebt viele Jahre im Raum. Wir müssen die Trauer annehmen, wir müssen lernen, diese Tat als das zu nehmen, was sie ist, Ausdruck des freien Willen, entstanden aus dem Druck, den diese Menschen oftmals über einen langen Zeitraum ausgesetzt waren und die in dem freiwilligen Aus-dem-Leben-scheiden einen Ausweg sahen. Uns bleibt die gemeinsame Zeit. Das kann uns keiner nehmen. Uns bleiben die Erinnerungen. Und uns bleibt die Aufgabe, weiterzuleben und mit der Last umgehen zu lernen. Hierbei wollen wir Ihnen helfen. Wir laden Sie ein, unsere Gesprächsgruppe zu besuchen.